Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge Freiburg: Eilantrag von Bewohnern der Einrichtung gegen Regelungen der Hausordnung abgelehnt

Datum: 02.07.2021

Kurzbeschreibung: 

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit soeben den Beteiligten bekannt gegebenem Beschluss vom 28. Juni 2021 einen gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten Eilantrag in einem Normenkontrollverfahren von aus Ghana und dem Senegal stammenden Bewohnern der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Freiburg gegen Regelungen der dort seit dem 1. Januar 2020 geltenden Hausordnung abgelehnt.

In der vom Regierungspräsidium Freiburg seit Mai 2018 auf dem Gelände der ehemaligen Polizeiakademie in Freiburg i.Br. in der Lörracher Straße betriebenen LEA werden Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben, in der ersten Phase ihrer Ankunft in Deutschland untergebracht. In der dortigen Hausordnung, die auf einer Musterhausordnung für das Land Baden-Württemberg basiert, werden die Modalitäten des Zusammenlebens in der Einrichtung festgelegt.  

Die Antragsteller wenden sich mit ihrem in diesem Frühjahr eingereichten Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO unter anderem gegen Regelungen der Hausordnung über die Verschließbarkeit der Zimmer, die Besuchsberechtigung, verbotene Gegenstände, die Ausübung politischer, missionarischer und ähnlicher Tätigkeiten und die Durchführung von Zutritts- und Zimmerkontrollen. Sie rügen eine unzureichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und machen geltend, dass die Regelungen sie in ihren Grundrechten verletzen, insbesondere in dem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), dem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), in der Religions- (Art. 4 GG) und Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). Außerdem seien sie unverhältnismäßig.

Das Regierungspräsidium Freiburg hat den Antrag schon für unzulässig gehalten. Unabhängig davon hat es sich auf sein Hausrecht berufen und die Auffassung vertreten, dass die kraft behördlicher Entscheidung zugewiesenen Zimmer in der LEA nicht vom Schutzbereich des Art. 13 GG erfasst seien.   

Zur Ablehnung des Eilantrags führt der 12. Senat des VGH aus:

Eilantrag nur teilweise zulässig

Die Hausordnung lasse sich in ihrer Gesamtheit keiner bestimmten Regelungsform zuordnen.  Nur die Regelungen über Kontrollen bei Zutritt, auf dem Gelände und in den Zimmern der Bewohner sowie die Übertragung von Kontrollaufgaben auf private Dienstleister seien abstrakt-generelle Regelungen, die Gegenstand eines Normenkontrollantrags sein können. Die sonstigen Bestimmungen seien keine „Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO mit der Folge, dass der Eilantrag insoweit unzulässig sei.

Vereinbarkeit der Vorschriften mit den Vorgaben des Gesetzesvorbehalts offen

Der Eilantrag sei, soweit er zulässig sei, unbegründet. Offen sei allerdings, ob die allgemein formulierte Vorschrift in § 6 Abs. 3 Satz 2 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 19. Dezember 2013 als Ermächtigungsgrundlage für die Regelungen in der Hausordnung genüge, wonach die Zimmer der Bewohner auch ohne ihr Einverständnis von Mitarbeitern des Regierungspräsidiums Freiburg und privaten Dienstleistern betreten werden können, oder ob es hierfür aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Maßnahme spezieller gesetzlicher Regelungen bedürfe. Diese Frage stelle sich unabhängig davon, ob die den Antragstellern zugewiesenen Zimmer in der Erstaufnahmeeinrichtung als Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG einzuordnen seien.

Regelungen der Hausordnung bleiben vorerst anwendbar

Die Regelungen der Hausordnung seien dennoch nicht vorläufig außer Kraft zu setzen. Die der Überprüfung unterliegenden Regelungen der Hausordnung seien voraussichtlich weitestgehend verhältnismäßig ausgestaltet. Der erhöhte Bedarf an Schutz und Sicherheit bei der vorübergehenden Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung könne mit Beschränkungen auch im Bereich der grundrechtlich geschützten Privatsphäre der Bewohner einhergehen. Auch wenn die Kontrollbefugnisse der Einrichtungsleitung und ihrer Beauftragten den grundrechtlich geschützten Rechtskreis der Antragsteller tangieren und die darauf gestützten Handlungen - insbesondere soweit ihre geschützte Privatsphäre betroffen sei - von erheblichem Gewicht sein könnten, überwögen sie nicht deutlich die von dem Antragsgegner verfolgten, den Schutz aller Bewohner und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Einrichtung bezweckenden Interessen. Es erscheine zudem möglich, dass der Gesetzgeber bzw. die Verwaltung auf die in der Entscheidung geäußerten Bedenken etwa zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung oder zum auch in der Hausordnung nicht gesondert geregelten Betreten der Zimmer zur Nachtzeit reagierten.

Der Beschluss vom 28. Juni 2021 ist unanfechtbar (Az. 12 S 921/21). Über den im Dezember 2020 beim VGH gestellten Normenkontrollantrag in der Hauptsache (Az. 12 S 4089/20) ist noch nicht entschieden.

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