Rettungsdienstplan des Landes: Urteilsgründe liegen vor

Datum: 25.05.2023

Kurzbeschreibung: 

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat, wie bereits berichtet (siehe Pressemitteilung vom 10. Mai 2023; sowie ausführlich zum Gegenstand des Verfahrens: Pressemitteilung vom 2. März 2023 zur Geschäftstätigkeit 2022, unter Punkt 3, „6. Senat“), § 6 des Rettungsdienstplans des Landes Baden-Württemberg, der im Wesentlichen Regelungen zur sogenannten Hilfsfrist im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 5 und 6 des Rettungsdienstgesetzes (RDG) enthält, für unwirksam erklärt und die gegen den gesamten Rettungsdienstplan (RDPl.) sowie gegen zwei Beschlüsse des Landesausschusses für den Rettungsdienst (LARD) und einen Erlass des Innenministeriums gerichteten Normenkontrollanträge im Übrigen abgewiesen.

Rettungsdienstplan des Landes: Urteilsgründe liegen vor

Der 6. Senat des VGH führt in den Gründen des nun vorliegenden schriftlichen Urteils aus:

Die Antragsbefugnis der Antragsteller im Hinblick auf § 6 RDPl. ergebe sich aus einer möglichen Verletzung der unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates, aus der die Verpflichtung folge, ein funktionierendes System des Rettungsdienstes zur Verfügung zu stellen. Habe der Gesetzgeber grundsätzlich geeignete und ausreichende Regelungen getroffen, um seiner Schutzpflicht zu genügen, könne eine Schutzpflichtverletzung nur in Betracht kommen, wenn das Schutzkonzept des Gesetzgebers im Rahmen der untergesetzlichen Ausgestaltung oder beim Gesetzesvollzug in einer Weise unterlaufen werde, dass der verfassungsrechtlich gebotene Mindeststandard nicht gewahrt werde. Mit ihrem Vorbringen hätten die Antragsteller eine mögliche Unterschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandards noch hinreichend dargelegt. Bei einer Gesamtschau der hinsichtlich der Hilfsfrist geltend gemachten Defizite erscheine es nicht von vornherein als offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass der gebotene Mindeststandard unterschritten werde, wenn die Regelungen zur Hilfsfrist im Rettungsdienstplan, die sich zwar nicht unmittelbar an die Antragsteller als potenzielle Notfallpatienten richteten, die für sie aber im Hinblick darauf, dass sie der Rettungsdienstplanung zugrunde zu legen seien, mittelbar erhebliche Bedeutung hätten, die gesetzlichen Anforderungen in mehrfacher Hinsicht deutlich verfehlten.

Soweit die Antragsbefugnis vorliege, sei auch ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Antragsgegner bei einem vom Gericht bejahten Verstoß der Bestimmungen in § 6 RDPl. gegen höherrangiges Recht Neuregelungen erlasse, die für die Antragsteller günstiger als die bestehenden seien. Zudem könne sich bereits die gesetzliche Regelung zur Hilfsfrist in § 3 Abs. 2 Satz 5 und 6 RDG als für die Antragsteller günstiger als die Bestimmungen in § 6 RDPl. erweisen.

Bezüglich der weiteren angegriffenen Bestimmungen des Rettungsdienstplans sei weder eine Antragsbefugnis aller Antragsteller als potenzielle Notfallpatienten noch eine Antragsbefugnis der im Rettungsdienst als Notarzt bzw. Rettungsassistent tätigen Antragsteller wegen einer möglichen Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) hinreichend dargelegt.

Soweit die Anträge sich gegen die Beschlüsse des LARD vom 21.09.2022 und vom 28.06.2022 sowie hilfsweise gegen den Erlass des Innenministeriums vom 29.06.2022 richteten, seien sie unstatthaft, da dies keine Normen seien. Der Beschluss des LARD vom 21.09.2022 zur Einholung eines landesweiten Strukturgutachtens sei keine abstrakt-generelle Regelung, sondern eine Einzelfallentscheidung. Der Beschluss zur Vorabdelegation heilkundlicher Maßnahmen an Notfall-sanitäter vom 28.06.2022 und der hierzu ergangene Erlass des Innenministeriums vom 29.06.20222 wiesen mangels Regelungswirkung nach außen ebenfalls keinen Rechtsnormcharakter auf.

Soweit die Anträge zulässig seien, hätten sie auch in der Sache Erfolg. Die Bestim-mungen zur Hilfsfrist in § 6 RDPl. verstießen gegen höherrangiges Recht, weil sie jedenfalls insoweit nicht mit den gesetzlichen Vorgaben in § 3 Abs. 2 Satz 5 und 6 RDG vereinbar seien, als die dort normierte Frist von möglichst nicht mehr als 10 Minuten vollständig außer Acht gelassen werde und der Notarzteinsatzdienst nicht an die Hilfsfrist gebunden sei. Der dem Plangeber bei der Konkretisierung und näheren Ausgestaltung der Regelungen zur Hilfsfrist im bodengebundenen Rettungsdienst bei der Notfallrettung (§ 3 Abs. 2 Satz 5 und 6 RDG) zustehende Gestaltungsspielraum werde jedenfalls deshalb überschritten, weil die vom Gesetzgeber unter Hinweis auf notfallmedizinische Gründe vorgegebene 10-Minuten-Frist bei der untergesetzlichen Planung vollständig außer Acht gelassen werde.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az. 6 S 2249/22).

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