Heilpraktiker muss auf notwendige ärztliche Behandlung hinwirken

Datum: 15.10.2008

Kurzbeschreibung: Ein Heilpraktiker darf den Patienten bei schwerwiegenden Erkrankungen nicht im Glauben lassen, eine ärztliche Behandlung werde durch den Heilpraktiker ersetzt. Diesen Grundsatz hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 02.10.2008 wieder betont und damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, das den Antrag eines Heilpraktikers (Antragsteller) auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf seiner Heilpraktikererlaubnis abgelehnt hatte.

Der Antragsteller, der bereits seit langem über eine Heilpraktikererlaubnis verfügte, hatte eine Patientin wegen einer Geschwulst in der Brust behandelt. Auf der Grundlage einer bioelektrischen Funktionsdiagnose war er zum Schluss gelangt, dass es sich um eine gutartige Geschwulst handele. An dieser Diagnose hielt er auch dann noch fest, nachdem das Geschwür auf eine Größe von zuletzt 24 cm Durchmesser angewachsen und aufgebrochen war, und die Patientin stark an Gewicht verloren hatte. Als die Patientin sich schließlich in ärztliche Behandlung begab, wurde ein metastasierendes Mamma-Karzinom festgestellt, an deren Folgen sie schließlich verstarb.

Der VGH hat ausgeführt, dass dem Antragsteller die Heilpraktikererlaubnis zu Recht entzogen worden sei. Sein Verhalten rechtfertige den Schluss, dass ihm die für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit fehle und die Volksgesundheit gefährdet sei, wenn er die Heilkunde ausübe. Ein Heilpraktiker müsse nämlich die Gefahren im Auge behalten, die sich daraus ergeben könnten, dass seine Patienten medizinisch gebotene Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch nähmen. Er dürfe deswegen nicht dazu beitragen, notwendige ärztliche Behandlungen zu verhindern oder auch nur zu verzögern. Hier zeige der Behandlungsverlauf, dass er diesen Anforderungen nicht gerecht geworden sei. Dabei könne er sich auf ein bloß einmaliges Fehlverhalten nicht berufen. Denn die Behandlung habe sich über mehrere Jahre hingezogen; in dieser Zeit habe er die Grenzen seiner Behandlungsfähigkeit nicht erkannt. Nach Auffassung des im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachterausschusses habe er über Jahre hinweg offensichtliche Fehldiagnosen gestellt und seine Therapie auch dann in absolut unverantwortlicher Weise unbeirrt weiterverfolgt, nachdem die Geschwulst aufgebrochen sei; dies zeige einen Mangel an anatomisch-pathologischem Grundwissen.

Der Antragsteller habe seine Patientin nicht mit hinreichender Dringlichkeit aufgefordert, die Erkrankung ärztlich abklären und behandeln zu lassen. Es habe nicht ausgereicht, wenn er der Patientin die Möglichkeit offengelassen habe, einen Arzt aufzusuchen. Nach der Darstellung der Patientin habe er ihr stets den Eindruck vermittelt, er habe die Sache im Griff; er habe ihre Angst geschürt, „in die Hände von Ärzten zu fallen“, die vorschnell von einer Krebserkrankung ausgingen.

Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass er bei seinen verbliebenen Patienten weiter in großem Ansehen stehe. Seine Eignung sei objektiv und frei von Wertschätzungen zu beurteilen, die auch auf Unkenntnis oder sachfremden Erwägungen beruhen könnten.

Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 9 S 1782/08).

Auszug aus der Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz


§ 2
(1) Die Erlaubnis wird nicht erteilt,
a) …

f) wenn sich aus Tatsachen ergibt, dass ihm die sittliche Zuverlässigkeit fehlt, insbesondere, wenn schwere strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen,

i) wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesund-heitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksge-sundheit bedeuten würde.

§ 7
(1) Die Erlaubnis ist durch die höhere Verwaltungsbehörde zurückzunehmen, wenn nachträglich Tatsachen eintre-ten oder bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 rechtfertigen würden. …

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