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Psychosoziale Prozessbegleitung


Bei der psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren handelt es sich um eine intensive Form der Begleitung für Verletzte von Straftaten („Opfer“) durch besonders ausgebildete Fachkräfte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Opfer erhalten auf diese Weise eine qualifizierte Betreuung und werden auf vielfältige Weise informiert und unterstützt. Psychosoziale Prozessbegleitung hat das Ziel, die individuelle Belastung von Opfern zu reduzieren und die Aussagetüchtigkeit als Zeuge im Strafverfahren zu fördern.
Weiterführende Informationen finden Sie im Merkblatt zur Psychosozialen Prozessbegleitung, das Sie in verschiedenen Übersetzungen auch auf der Webseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz herunterladen können.

Die psychosoziale Prozessbegleitung ist mit dem Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21. Dezember 2015 (3. Opferrechtsreformgesetz) im deutschen Strafverfahrensrecht – in § 406g der Strafprozessordnung (StPO) und einem eigenständigen Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) – verankert worden. Die Regelungen zur psychosozialen Prozessbegleitung sind zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten.

§ 406g StPO regelt dabei die strafverfahrensrechtlichen Aspekte der psychosozialen Prozessbegleitung. Das PsychPbG regelt die Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung (§ 2 PsychPbG), die grundlegenden Anforderungen an die Qualifikation psychosozialer Prozessbegleiter (§ 3 PsychPbG) sowie deren Vergütung (§§ 5-9 PsychPbG) bundesweit einheitlich.

Das gesetzliche Leitbild der psychosozialen Prozessbegleitung entspricht den bundeseinheitlichen „Mindeststandards für die psychosoziale Prozessbegleitung“, die eine interdisziplinär besetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Auftrag der Justizministerkonferenz zusammen mit den „Mindeststandards der Weiterbildung für die psychosoziale Prozessbegleitung“ erarbeitet hat und die durch Beschluss dieser Konferenz am 25./26. Juni 2014 bestätigt worden sind. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe spiegeln den aktuellen Stand der Diskussionen und Erkenntnisse zu den Standards der psychosozialen Prozessbegleitung wider.

Zur Ausführung des PsychPbG hat der Landtag von Baden-Württemberg am 9. November 2016 das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung verabschiedet. Das Gesetz sieht Regelungen für das Verfahren zur Anerkennung von psychosozialen Prozessbegleitern sowie für deren Aus- oder Weiterbildung vor.

Weitere Einzelheiten für die Inhalte der Weiterbildungen für Fachkräfte wurden auf der Grundlage des Landesausführungsgesetzes in einer Ausführungsverordnung geregelt.

Seit dem 1. Januar 2017 kann jedes Opfer einen psychosozialen Prozessbegleiter in Anspruch nehmen. Die Staatskasse übernimmt die Kosten für die psychosoziale Prozessbegleitung allerdings nur im Fall einer Beiordnung. Ein Anspruch auf kostenfreie Beiordnung besteht vor allem für Kinder, die Opfer einer schweren Sexual- oder Gewaltstraftat geworden sind. Im Einzelfall können auch erwachsene Opfer schwerer Sexual- oder Gewaltstraftaten einen Anspruch auf kostenfreie Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können oder die besondere Schutzbedürftigkeit des Opfers eine Beiordnung erfordert. Dies ist beispielsweise in der Regel der Fall bei

  • Personen mit einer Behinderung,
  • Personen mit einer psychischen Beeinträchtigung,
  • Betroffenen von Sexualstraftaten,
  • Betroffenen von Gewalttaten (mit schweren physischen, psychischen oder finanziellen Folgen oder längerem Tatzeitraum, wie z. B. bei häuslicher Gewalt oder Stalking),
  • Betroffenen von vorurteilsmotivierter Gewalt und sonstiger Hasskriminalität und
  • Betroffenen von Menschenhandel.


Bei (versuchten) Tötungsdelikten können unter Umständen auch Angehörige der Opfer einen psychosozialen Prozessbegleiter beigeordnet bekommen.

Personen, bei denen die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, können beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters stellen. Im Ermittlungsverfahren – also vor Erhebung der öffentlichen Klage – entscheidet das Amtsgericht am Sitz der für das zugrundeliegende Ermittlungsverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft über diesen Antrag. Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, ist für den Antrag das mit dem Strafverfahren befasste Gericht zuständig. Der Antrag kann aber auch bei der Polizei oder der zuständigen Staatsanwaltschaft eingereicht werden, die ihn dann an das zuständige Gericht weiterleiten werden.

Das Antragsformular für die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung gemäß § 406g Abs. 3 StPO können Sie hier aufrufen. 

Die Auswahl des beizuordnenden psychosozialen Prozessbegleiters erfolgt durch das Gericht. Es besteht jedoch die Möglichkeit, bei Antragstellung einen psychosozialen Prozessbegleiter zu benennen. Eine Liste aller baden-württembergischen psychosozialen Prozessbegleiter ist unter www.olgstuttgart.de unter der Rubrik „Service“ und dem Stichwort „Psychosoziale Prozessbegleitung“ eingestellt.

Fachkräfte der psychosozialen Prozessbegleitung und solche, die es werden wollen, finden an dieser Stelle ebenfalls weiterführende Informationen.

Zur psychosozialen Prozessbegleitung in anderen Bundesländern finden sich auf der Webseite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Informationen.

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